Warum bilaterales Training bei Dysbalancen nicht wirklich hilft
Sep 15, 2019Trainierst du regelmäßig Kniebeugen, Kreuzheben, Bankdrücken, Klimmzüge, usw. – kurz, Bewegungen, bei denen beide Körperhälften simultan arbeiten? Bilaterale Übungen, die man klassischerweise beim Training im Kraftraum oder im Fitnessstudio vorfindet?
Früher dachte ich immer, dass bilaterales Training zu zwei gleichstarken Körperhälften führt, weil die schwächere Körperhälfte mehr Arbeit verrichten muss, um die Bewegung zu ermöglichen und sich dadurch auch stärker anpasst. Diese klassische Ansicht ist auch weiterhin unter Trainern sowie Sportlern verbreitet – die traurige Realität ist jedoch, dass dabei die neuronalen Grundlagen der Bewegungssteuerung völlig ignoriert oder oft nicht verstanden werden!
Die Hauptaufgabe unseres zentralen Nervensystems (ZNS) ist immer zuerst das Garantieren unserer unmittelbaren Sicherheit und unseres Überlebens. Diesem Grundsatz wird – außer in akuter Lebensgefahr – alles untergeordnet. Deinem ZNS ist es also egal, ob du 5 kg oder 500 kg hebst – die Hauptsache ist, dass du den Versuch unbeschadet überstehst!
Für die Gewährleistung unserer Sicherheit möchte unser ZNS immer möglichst genau vorhersehen, was in der näheren Zukunft passiert. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, empfängt es non-stop sensorische Informationen aus unserer Um- und Innenwelt und die analysiert und interpretiert es – entsprechend reagiert das ZNS unmittelbar mit Handlungen, die seiner Hauptaufgabe dienen. Klare und präzise Informationen führen daher immer zu einer besseren Prognose durch das ZNS und entsprechend zu mehr Sicherheit in der jeweiligen Situation und Bewegung. Sind die Informationen einer Körperhälfte klarer als die der anderen, wird das ZNS diese Körperhälfte und Strukturen stärker belasten, als die Körperhälfte mit den unklareren Informationen. Sprich: Kraftdifferenzen zwischen deinen beiden Körperhälften würden nicht bestehen, wenn dein ZNS beide Seiten als gleich sicher und entsprechend gleich belastbar einstufen würde!
Wie stark du bist und wie sehr du dich belasten darfst, ist nie eine Entscheidung deines jeweiligen Muskels als ausführendes Organ – es ist immer eine Entscheidung deines ZNS als steuernde Instanz deines Körpers!
Natürlich können Trainierende, deren Körperhälften teils gravierende Kraftunterschiede und Dysbalancen vorweisen, durch bilaterales Training auch Kraftzuwächse erreichen. Dies liegt jedoch i.d.R. an einer effizienteren Bewegungsausführung (Verbesserung von Technik und Koordination) sowie an einer Stärkung der vorhandenen Kompensationsstrukturen der schwächeren Körperseite. Kompensationsstrukturen können durchaus stark werden, vor allem wenn keine größeren technischen Probleme während der Bewegung erkennbar sind und sie entsprechend weiter belastet werden – es bleiben aber letztendlich Kompensationsmuster! Unser Körper kann Schwächen in gewissen Ausmaßen gut kompensieren, aber jede Kompensation hat seine Limits und wird nie so effizient und stark arbeiten, wie die eigentlich dafür vorgesehenen Strukturen. Durch dauerhaftes Belasten dieser Kompensationsstrukturen, wie im Rahmen des bilateralen Trainings häufig der Fall, steigt das Verletzungsrisiko im Training und Sport somit letztendlich immens!
Durch bilaterales Training wird die Differenz zwischen der stärkeren und schwächeren Körperseite also größer und nicht kleiner – wir kompensieren nur stärker!
Was kann ich also machen, um meine schwächere Körperhälfte zu trainieren, ohne den „Kompensiermodus“ zu verstärken?
In der Trainingspraxis profitieren die meisten Trainierenden von einem unilateralen Training und/oder einer unsymmetrischen Lastverteilung bei bilateralen Übungen, die den Kraftdifferenzen zwischen den beiden Körperhälften gerecht werden. Im unilateralen Training ist es zudem häufig förderlich, die beiden Körperhälften mit einer ungleichen Anzahl von Wiederholungen und Sätzen zu trainieren! Welche Variante mit welcher Lastverteilung dein ZNS im Training als förderlich bewertet, lässt sich nicht pauschal beantworten, lässt sich jedoch ganz einfach und individuell anhand von Neuro-Self-Assessments testen.
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Quellen:
Cobb, W. E. (2016): Certification Workbook – Z-Health Strength & Suppleness 2.0.
Z-Health Performance Solutions (2018): The myth of bilateral training. Zugriff am 27.04.2019 unter: https://zhealtheducation.com/episode-252-the-myth-of-bilateral-training/