Entdecke die Welt der Neuromechanik im Training!
Dec 10, 2023Die Ursache eines unökonomischen Laufstils wird häufig in Fußfehlstellungen, Koordinationsmängeln und muskulären Dysbalancen des jeweiligen Läufers vermutet. Das Scheitern an tiefen Kniebeugen, sogenannten „Ass to grass“-Kniebeugen, bei Trainierenden wird als Mobilitätsdefizit in der Hüfte und im Sprunggelenk aufgefasst, während erschlaffende Finger beim Klimmzug auf eine defizitäre Griffkraft hinweisen können. Gemeinsam ist all diesen Problemen bei Athleten ihre Reduzierung auf einen vermeintlich rein biomechanischen Ursprung und einen propriozeptiven Ansatz zu ihrer Behebung. Andere potenzielle Ursachen von Leistungseinbußen hingegen werden ignoriert, darunter auch unsere Nerven.
Auf neuronaler Ebene wird die Bedeutung der Nerven für die Entstehung von Bewegungen deutlich. Das größte Anliegen des zentralen Nervensystems (ZNS) ist immer das Garantieren unserer unmittelbaren Sicherheit und Unversehrtheit 24/7 – Tag und Nacht! Diesem Vorgehen wird alles andere untergeordnet, außer in akuter Lebensgefahr. Ob du einen Marathonlauf absolvierst oder dich auf der Yogamatte austobst – dem zentralen Nervensystem ist das egal, Hauptsache, du überstehst den Versuch unbeschadet.
Dabei handelt unser zentrales Nervensystem als höchste steuernde Instanz im menschlichen Körper stets nach derselben Methode: Aus der Um- und der Innenwelt empfängt es ununterbrochen sensorischen Input, den es analysiert und interpretiert. Erst im nächsten Schritt leitet das ZNS daraus Befehle ab, die über efferente Nervenfasern an die Muskulatur in der Peripherie geleitet werden. Nur über die Einordnung und die Koordination der sensorischen Informationen kann das zentrale Nervensystem einen motorischen Output einleiten.
Der Output ist vom Input abhängig: Je präziser unseren Sinnesorganen die Wahrnehmung von Reizen gelingt, desto genauer kann unser zentrales Nervensystem die aktuelle und zukünftige Situation prognostizieren. Maximale Sicherheit in der Bewegung entsteht dann, wenn die Informationsqualität aus den Zuliefersystemen – primär dem visuellen, dem vestibulären und dem propriozeptiven System – als hervorragend einzustufen ist. Eine in diesem Zyklus mögliche, äußerst sensible Störvariable, die unter Trainern und Athleten kaum Beachtung findet, sind unsere Nerven.
Was machen die Nerven?
Unsere Nerven garantieren als zusammenhängende Einheit den Informationsaustausch zwischen den sensorischen Rezeptoren, dem Gehirn und den ausführenden Organen. Die Datenübertragung zwischen dem zentralen Nervensystem und den bewegungsausführenden Organen ist für das Gelingen von Bewegungen eine kritische Determinante. Wenn sensorische Informationen, die an den Rezeptoren generiert werden, durch die Übermittlung der Nerven an unser Gehirn in ihrer Qualität abnehmen, liegt ein Übertragungsproblem vor. Ebenso wird von einem Übertragungsproblem gesprochen, wenn die Befehle, die von unserem Gehirn an die Muskeln in der Peripherie gesendet werden, in ihrer Güte abnehmen.
Ein Vergleich aus dem Alltag macht den Ablauf verständlich: Knickt man einen Gartenschlauch oder klemmt ihn ein, unterbricht das den Wasserdurchfluss; die Blumen bleiben im Trockenen stehen. Gleiches passiert, wenn die Nervenfasern unser Gehirn nicht einwandfrei mit Informationen versorgen können: Das Gehirn muss Prognosen über die nahe Zukunft erstellen, die auf lückenhaften Informationen beruhen. Folglich zieht das ZNS die Handbremse und schränkt aus seinem Sicherheitsbedürfnis heraus den motorischen Output ein.
Doch nicht nur die direkte Informationsübertragung, sondern auch die Bewegungsfreiheit der Nerven kann eingeschränkt sein. Denn sobald wir uns bewegen, verändern periphere Nerven ihre eigene Lageposition. Da Nerven ein sensibles Gewebe sind, kann jede Form von Druck oder Scherkräften, die die Belastungstoleranz des Trainierenden übersteigen, ebenfalls zu Bewegungseinschränkungen und Schmerzen führen.
Die mechanischen Bedingungen des peripheren und des zentralen Nervengewebes haben Auswirkungen auf unsere Leistungsfähigkeit! Spannend wird es in der Mobilisation oder der Entspannung der Nerven zur Verbesserung der Signalübertragung vom motorischen Kortex über das Rückenmark zum Muskel und zurück. Insbesondere langjährige Schmerzzustände oder Immobilitäten in bestimmten Körperbereichen, aber auch Missempfindungen wie Taubheit oder Kribbeln in den Körperextremitäten deuten in der Anamnese auf häufig reversible Beeinträchtigungen der Nerven hin. Wem beim Kreuzheben oder bei Klimmzügen regelmäßig die Finger aufgehen, kann ein Defizit in der Griffkraft oder ein Problem auf Ebene der Nerven aufweisen.
Die Optimierung der neuromechanischen Voraussetzung des Rückenmarks und der peripheren Nerven gelingt über neuromechanische Drills. Treten bilateral Probleme an den Nerven auf, ist es sinnvoll, die Intervention ab der Ebene zu starten, an der die Nerven zusammenlaufen, sprich am Rückenmark oder an einer höheren Hierarchiestufe. Wenn Probleme unilateral an den Nerven auftreten, startet die Intervention an den Strukturen, die diese Nerven innervieren.
Im heutigen Video erklären wir in der Tiefe, wofür sich neuromechanische Drills noch eignen und wie du sie am besten erlernen kannst. Weiterführende Informationen und praktische Einheiten findest du unter unserem Online-Seminar Neuromechanik oder unserem Seminar Grundlagen der Neuroathletik.
Viel Erfolg beim Training!
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